Der französische TGV benötigt von Paris nach Straßburg bisher zwei Stunden und 20 Minuten. Er verkehrt von Paris bis ins lothringische Baudrecourt auf einer Schnellfahrstrecke. Der weitere Ausbau in Richtung Osten auf 106 Kilometern durch das Elsass bis Straßburg läuft auf Hochtouren, um die Fahrtzeit für die Passagiere ab 2016 um weitere 30 Minuten zu verkürzen. Für die Unterquerung der Vogesen setzten die französischen Tunnelbauer eine Tunnelbohrmaschine von Herrenknecht ein.
Die TBM nimmt im November 2011 auf der Ostseite der Vogesen am Startportal bei Ernolsheim lès Saverne den Vortrieb der knapp vier Kilometer langen nördlichen Röhre auf. Mit einem zweimonatigen Vorsprung auf den Bauzeitplan kann sie den Vortrieb der ersten Röhre Ende Juni 2012 auf der Westseite der Vogesen abschließen. Während des siebenmonatigen Vortriebs erreichen die Baustellenteams Tagesbestleistungen von bis zu 46 Metern und Wochenbestleistungen von bis zu 250 Metern.
Die auf den Namen „Charlotte“ getaufte Tunnelbohrmaschine von Herrenknecht (umbaubarer EPB-Schild S-670, Ø 10.010 mm) haben die Schwanauer Ingenieure derart auf die geologischen Verhältnisse im Projekt angepasst, dass sie den Vortrieb in zwei unterschiedlichen Bodenarten bewältigen kann. Auf den ersten 200 Metern des nördlichen Tunnels fährt sie in Lockergestein (Mischung aus Sandstein und Muschelkalk) im geschlossenen Erddruckschild-Modus. Der weitere Vortrieb erfolgt entsprechend dem vorherrschenden Hartgestein (Buntsandstein) im offenen Modus. Für den Wechsel zwischen den Betriebsarten finden lediglich am Schneidrad Anpassungen statt. Sowohl das Förderband als auch die Förderschnecke bleiben in beiden Modi auf der Maschine installiert.
Im Projekt Saverne ist zum ersten Mal eine TBM vom Typ umbaubarer EPB-Schild von Herrenknecht im Einsatz, die auch den offenen Hartgestein-Modus mit Bandaustrag beherrscht. Nach dem Durchstich des ersten Tunnels wird die Maschine demontiert und die einzelnen Komponenten zum Startportal bei Ernolsheim lès Saverne zurücktransportiert, um die zweite Röhre zu bohren. Bereits am 25. Februar 2013 bohrt sich Charlotte mit dem finalen Durchbruch zurück ans Tageslicht.
Mit deutlich unter zwei Stunden Fahrzeit ab dem Jahr 2016 wird der TGV auf der Strecke Paris-Straßburg eine attraktive und umweltschonende Alternative zur Flugverbindung sein. Auch für das europäische Großprojekt, den Ausbau des Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitsverkehre von Paris über Straßburg und Stuttgart bis nach Bratislava, haben die französischen Eisenbahngesellschaften dann einen Meilenstein erreicht.