Die viel befahrene italienische Autobahn A1 zwischen Bologna und Florenz erhält auf rund 50 Kilometern Länge eine Entlastungsstrecke. Nachdem 2015 der Nordabschnitt „Variante di Valico“ in Betrieb ging, wurden die Arbeiten an der südlichen Verlängerung aufgenommen. Auf dem neuen Südabschnitt liegt der im Endausbau über 7,7 Kilometer lange, dreispurige Autobahntunnel „Santa Lucia“. Mit der Inbetriebnahme wird der Verkehr nach Süden (Richtung Florenz) über die neue, durchgehend dreispurige Trasse rollen, während die bereits vorhandenen Fahrspuren vom Verkehr in Richtung Norden genutzt werden.
Wie zuvor beim 2011 bis 2013 gebohrten Sparvo-Tunnel auf dem Nordabschnitt setzen die von der italienischen Autobahngesellschaft beauftragten Vortriebsspezialisten für die „Galleria Santa Lucia“ auf einen Erddruckschild (EPB-Schild) von Herrenknecht. Da der Tunnel drei Fahrspuren von je 3,75 Metern Breite aufnehmen soll, fällt der Schilddurchmesser mit 15,87 Zentimeter besonders groß aus – damit ist die Santa-Lucia-TBM europäischer Rekordhalter. Auch der Tunnel selbst stellt einen neuen Rekord auf: Er wird bei Inbetriebnahme der längste dreispurige Straßentunnel in Europa sein.
Die Vortriebsarbeiten für das Tunnelprojekt starten im Juli 2017 und dauern knapp drei Jahre. Anfang Juni 2020 ist es dann so weit: Das 410 Tonnen schwere Schneidrad der TBM bohrt sich bei Barberino di Mugello, am nördlichen Tunnelende, wieder ans Tageslicht. Bis zu 122 Meter pro Woche hatten die Mineure bis zum erfolgreichen Durchbruch mit der XL-Maschine pro Woche zurückgelegt und in Summe rund 1,5 Millionen Kubikmeter Boden und Gestein abgebaut.
Heterogene Geologie mit Methaneinschlüssen
Beim Auffahren des Santa-Lucia-Tunnels meistert die insgesamt 4.800 Tonnen schwere TBM verschiedene Herausforderungen. Da sind zum einen die wechselnden geologischen Verhältnisse. Neben Mergel und Kalkstein auf etwa 75 % der Trasse finden sich mehrere weniger stabile geologische Übergangszonen. In enger Abstimmung mit dem Kunden stattet Herrenknecht das Schneidrad mit Abbauwerkzeugen sowohl für härteres Gestein als auch für weichere Böden aus.
Typisch für diese Region werden darüberhinaus Trassenabschnitte erwartet, die signifikante Mengen Methangas enthalten. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Sparvo-Vortrieb designt Herrenknecht deshalb ein Sicherheissystem, das Personal, Maschine und Baustelle zuverlässig schützt und beispielsweise folgende Lösungen und Systeme umfasst:
- In den Maschinenbereichen, die austretendem Gas ausgesetzt sein können, sind nur explosionsgeschützte Komponenten verbaut.
- Das Förderband des EPB-Schildes wird doppelwandig eingehaust, um Gasaustritte vom abgebauten Material kontrollieren zu können.
- Gassensoren sowie definierte Warnpläne und situationsabhängige Reaktionsschemata bis hin zu automatischen Abschaltungen sorgen für ein hohes Sicherheitsniveau.
- Ein besonders leistungsfähiges Belüftungssystem kann bei Bedarf Tunnel und Maschine mit Frischluft fluten.
Der XL-Durchmesser der „Galleria Santa Lucia“ in Kombination mit dem 7,5 Kilometer langen Vortrieb stellt das Gesamtsystem der TBM sowie die einzelnen Komponenten auf eine harte Bewährungsprobe. Hier kommt die jahrzehntelange Erfahrung des Herrenknecht-Teams mit großen und größten TBM-Durchmessern im Maschinendesign sowie im Service während des Vortriebs zum tragen. Gerade die riesigen Dimensionen und daraus resultierende Kräfte und Belastungen verlangen höchste Päzision bei Design, Fertigung und Montage.
Mehr Sicherheit auf der Straße und weniger Belastung für die Umwelt
Der mit dem größten europäischen EPB-Schild erfolgreich aufgefahrene Großtunnel Santa Lucia ist ein Schlüsselprojekt für den neuen Ausbauabschnitt der Autobahn A1. Die optimierte Streckenführung auf der bisher kurvenreichen Gebirgsstrecke reduziert mit der Inbetriebnahme sowohl die Unfallrisiken als auch die Reisezeiten und damit den Krafstoffverbrauch von täglich zehntausenden PKW und LKW.
