Multi-Mode-TBM in der Anwendung
Klassische Vortriebsschilde können mit ihren spezifischen Verfahren bei besonders variantenreichen Geologien entlang der Tunneltrasse an technische oder wirtschaftliche Grenzen stoßen. Innerhalb einer aufzufahrenden Tunneltrasse kann der Boden entlang längerer Passagen beispielsweise von standfestem Gestein zu weichem, wasserführendem Lockergestein und umgekehrt wechseln. Derartige Streckenverläufe gehören zu den anspruchsvollsten Anforderungen im Tunnelbau überhaupt. Für eine größtmögliche Sicherheit und Flexibilität während des gesamten Vortriebs hat Herrenknecht für solche Fälle die sogenannten Multi-Mode-Tunnelbohrmaschinen entwickelt. Sie sind hinsichtlich ihres Stütz- und Abbauverfahrens flexibel ausgelegt. Der Vortriebsmodus kann an wechselnde Baugrundbedingungen angepasst werden, bei relativ kurzen Umbauzeiten und geringem Aufwand. Mit den innovativen Multi-Mode-TBM von Herrenknecht können Tunnel somit auch bei passagenweise extrem unterschiedlichen geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen in jeder Hinsicht sicher, das heißt auch wirtschaftlich, hergestellt werden.
Eine Grundidee, zwei Konzepte
Im maschinellen Tunnelvortrieb wird grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Schildtypen unterschieden: offene Schilde, Erddruckschilde und flüssigkeitsgestützte Schilde. Jedes dieser erprobten Verfahren bietet in seinem speziellen Anwendungsgebiet Vorteile. Technologische Fortschritte haben das jeweilige geologische Einsatzspektrum in den letzten Jahren zusätzlich erweitert. Das Ziel besteht darin, die für die vorherrschende Geologie optimale Maschinentechnik einzusetzen und so die Wirtschaftlichkeit jedes Projekts zu optimieren.
Viele Tunneltrassen führen durch stark wechselhafte Baugrundverhältnisse, bei denen die klassischen Verfahren an technische oder wirtschaftliche Grenzen stoßen. Für diese Sonderfälle haben Herrenknecht-Ingenieure die sogenannten Multi-Mode-TBM entwickelt. Das Grundkonzept erlaubt durch verschiedene Umbauten innerhalb einer Tunnelstrecke den Wechsel zwischen Flüssigkeitsstützung, Erddruckstützung und offenem Modus. Dabei sind grundsätzlich zwei konstruktive Umsetzungen möglich.
-
Multi-Mode-TBM mit modularem Grundaufbau: Ein Wechsel des Vortriebsverfahrens im Tunnel wird durch umfangreichere Modifikationen einzelner Baugruppen erreicht.
-
Multi-Mode-TBM mit parallel integrierten Komponenten für mehrere Verfahrensarten: Ein Wechsel des Vortriebsmodus ist mit relativ geringem Arbeits- und Zeitaufwand möglich. Diese Maschinen sind dafür technisch erheblich komplexer ausgelegt.
1. Kombination zwischen EPB- und offenen TBM
EPB-Schilde mit Förderschnecke im Sohlbereich können neben dem herkömmlichen geschlossenen EPB-Modus auch im offenen Modus gefahren werden. Abbaukammer und Schnecke sind dabei nur partiell gefüllt. In diesem Modus kann kein aktiver Stützdruck gegen die anstehende Ortsbrust aufgebaut werden, die Schnecke dient lediglich zum Abraumtransport. Alternativ kann im Zentrum ein Förderband mit rückziehbarem Förderbandtrichter installiert werden. Hierbei sind zusätzliche Umbaumaßnahmen am Schneidrad erforderlich und die Schnecke wird im offenen Vortriebsmodus partiell zurückgezogen. Die Kombination aus EPB-Schild und offener TBM kann sowohl mit modularem Grundaufbau als auch mit parallel installierter Schnecke und Zentrumsförderband konzipiert werden.
2. Kombination zwischen offenen und flüssigkeitsgestützten TBM
Multi-Mode-TBM mit offenem und flüssigkeitsgestütztem Modus wurden bereits vielfach erfolgreich in Projekten eingesetzt. Die größte Herausforderung beim Wechsel des Vortriebsmodus besteht in der unterschiedlichen Förderung des Abraums. Während beim flüssigkeitsgestützten Schild ein Förderkreislauf installiert ist, erfolgt der Austrag im offenen Modus mit einem Zentrumsförderband mit rückziehbarem Förderbandtrichter. Für die Realisierung dieser Kombination müssen daher beide Fördersysteme auf der TBM und dem Nachläufer installiert werden. Es existieren sowohl Lösungen für modulare als auch für integrierte Maschinenkonzepte.
3. Kombination zwischen EPB- und flüssigkeitsgestützten TBM
Beide Verfahrensmodi dieser Kombination arbeiten mit einem geschlossenen Drucksystem zur aktiven Ortsbruststützung. Die Hauptunterschiede liegen in der Zusammensetzung und den Eigenschaften des Stützmediums, der Förderung des Abraums sowie dem Aufbau der Abbaukammer. Bei großen Maschinendurchmessern über 9 Metern können sowohl Förderschnecke als auch Förderkreislauf im Sohlbereich der Abbaukammer parallel installiert werden. Bei kleineren Durchmessern ist dies nicht möglich und ein Wechsel des Vortriebsmodus mit hohem Aufwand verbunden, insbesondere, wenn für die Flüssigkeitsförderung ein zusätzlicher Steinbrecher vor dem Rechen benötigt wird. Die Kombination EPB- und flüssigkeitsgestützter Schild kommt daher nur zum Einsatz, wenn spezifische Projektgegebenheiten diesen hohen Aufwand rechtfertigen.
Sonderfall TBM Variable Density®
Multi-Mode-TBM mit EPB- und flüssigkeitsgestütztem Modus stellen die komplexeste Form der umbaubaren Maschinen dar. Sie erlaubt nur in speziell gelagerten Fällen einen wirtschaftlichen Einsatz. Aus diesem Grund hat Herrenknecht mit der Variable-Density-TBM eine weltweit einmalige Vortriebstechnik entwickelt. Diese kombiniert die Vorteile beider Verfahren in einer Maschine. Ohne größere mechanische Modifikationen kann direkt im Tunnel zwischen vier verschiedenen Vortriebsmodi umgeschaltet werden. Dadurch ist es möglich, im Verlauf der Trasse extrem flexibel auf geologische und hydrogeologische Veränderungen zu reagieren.
Die einzigartige Variable-Density-Technologie von Herrenknecht stellt die universelle Vortriebstechnik für Lockergestein dar.
Sowohl im erddruck- als auch im flüssigkeitsgestützten Modus wird der Abraum über einen Schneckenförderer aus der unter Druck stehenden Abbaukammer entnommen. Die Regelung des Stützdrucks erfolgt je nach Modus über Schneckendrehzahl und Vorschubgeschwindigkeit oder über ein automatisch geregeltes Luftpolster. Kommunizierende Röhren ersetzen die fehlende Tauchwandöffnung. Im EPB-Modus wird der Abraum von der Schnecke auf ein Förderband abgeworfen. Im Flüssigkeitsmodus wird die TBM dank einer zusätzlichen Slurryfier-Box am Ende der Schnecke mit hydraulischem Förderkreislauf gefahren. Bei Letzterem kann entweder eine normale Bentonitsuspension oder alternativ eine Suspension mit hoher Dichte genutzt werden. Das erweitert den Einsatzbereich der Variable-Density-TBM zusätzlich und macht die Maschine zur universellen Vortriebstechnik für Lockergestein aller Art.
Einzigartige Technik für schwierigste Untergrundmissionen
Anspruchsvolle, stark wechselhafte Baugründe innerhalb einzelner Tunneltrassen verlangen nach neuen, innovativen Vortriebstechniken. Multi-Mode-TBM von Herrenknecht erfüllen diese hohen Anforderungen dank ihres flexibel ausgelegten Maschinenkonzeptes. Sie kommen dort zum Einsatz, wo herkömmliche Schilde an ihre technischen und wirtschaftlichen Grenzen stoßen. Multi-Mode-TBM können somit selbst in extrem wechselhaften Baugrundbedingungen sicher und wirtschaftlich Tunnel herstellen – exakt da, wo sie benötigt werden.
Noch Fragen?
Wir stehen bereit!