Weltrekord für Las Vegas: Maschineller Tunnelvortrieb unter Hochdruck
Lake Mead, USA / Schwanau, Deutschland, 19. Dezember 2014. Las Vegas, die glitzernde Glücksmetropole mit faszinierenden Wasserspielen, bezieht 90 Prozent ihres Wassers aus dem Lake Mead. Der größte Stausee der Vereinigten Staaten wird vom Colorado River gespeist. Doch das Umland entnimmt dem See mehr, als an Schmelz- und Regenwasser aus den Rocky Mountains hineinfließt. Während der 14 Jahre andauernden Dürre ist der Wasserspiegel um 35 Meter gesunken. Die zwei vorhandenen Wasserzuläufe für das Las Vegas Valley drohen trocken zu laufen, die obere Absaugstelle Intake No.1 vielleicht schon nächsten Sommer. Sie liegt nur noch sieben Meter unter dem Seespiegel.
Der von der Wasserbehörde Southern Nevada Water Authority (SNWA) in Auftrag gegebene Bau einer neuen, tiefer liegenden Wasserentnahmestelle Intake No.3 ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch der entscheidende Abschnitt ist jetzt bewältigt: Am 10. Dezember erreichte die Herrenknecht-Tunnelbohrmaschine (TBM) S-502 (Ø 7,2 Meter) nach dreijährigen Bohrarbeiten ihr Ziel am Seegrund. Von einem 180 Meter tiefen Schacht ausgehend hat sie einen 4,4 Kilometer langen Tunnel unter den See gegraben. Dabei lastete ein Wasserdruck von bis zu 15 Bar auf der Maschine – ein neuer Weltrekord. Den bisherigen Höchstwert von 11 Bar hatte eine Herrenknecht-Multi-Mode-TBM für das 2013 fertiggestellte schwedische Tunnel-Projekt Hallandsås bewältigt.
Herrenknecht entwickelte und baute die Las Vegas-Maschine in enger Abstimmung mit dem Kunden Vegas Tunnel Constructors. Die Arbeitsgemeinschaft aus Salini Impregilo (Mailand, Italien) und S.A. Healy Co. (Chicago, Illinois, USA) führt für die SNWA den Bau des Zulauftunnels aus. Der Tunnel verläuft durch die sogenannte Muddy-Creek-Formation mit wechselnden Schichten von Hartgestein und Konglomeraten sowie Störzonen. Die mit Sekundärmineralien gefüllten Störzonen sind zum Teil mit Wasser des Lake Mead aufgefüllt.
Die entworfene Maschine ist eine Multi-Mode-TBM, die je nach Baugrundsituation in offener oder geschlossener Betriebsart gefahren werden kann und über etliches Zusatzequipment verfügt. So ist die 7,2 Meter Durchmesser-TBM bestens für die extremen Projektbedingungen ausgelegt.
Drei Jahre Höchstleistungen auf 4,4 Kilometern
Die Las Vegas Maschine startete Ende 2011 aus einem 180 Meter tiefen Schacht am Seeufer ihren Vortrieb. Sie kämpfte sich monatelang durch zerrütteten Fels und mit Seewassereinschlüssen durchsetztem Lehm. Hierbei musste sie Drücken von bis zu 15 Bar standhalten, ein absolutes Novum im maschinellen Tunnelvortrieb. Zum Vergleich: 15 Bar entsprechen einem Tauchgang in 150 Metern Tiefe bzw. einem Druck von 15 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Bei einem Durchmesser von über sieben Metern und einer Länge von 190 Metern lasteten damit immense Kräfte auf der Maschine.
Die TBM arbeitete sich an abrasiven geologischen Formationen ab, was wiederholt Stillstände zum Austausch verschiedener Verschleißteile erforderte. Disken, Teile des Schneidrads und die komplette Lagerdichtung wurden ersetzt. Sobald die Maschine guten, stabilen Untergrund erreichte, wechselte die Baustellencrew vom geschlossenen flüssigkeitsgestützten Betriebsmodus in den offenen Hartgesteinsmodus. In diesem fraß sich die Multi-Mode-Maschine kurzzeitig mit Geschwindigkeiten von vier bis fünf Zentimetern pro Minute und bis zu über hundert Metern die Woche durch das Gestein.
Über die Gesamtstrecke fuhr die Maschine ca. 40 Prozent im offenen Hartgesteins-Modus und ca. 60 Prozent im geschlossenen flüssigkeitsgestützten Modus auf. Für Wartungs- und Reparaturarbeiten wurde der Vortrieb in regelmäßigen Abständen unterbrochen. Die Arbeiten hatte Vegas Tunnel Constructors vorausschauend und in enger Zusammenarbeit mit Herrenknecht ausgeführt.
Jim Nickerson, Projekt Manager von Vegas Tunnel Constructors: „Geplant hatten wir max. 30 Prozent des Vortriebs im schwierigeren geschlossenen Modus, geworden sind es fast 60 Prozent. Das war eine große technische Herausforderung und erforderte umfassende Wartungsarbeiten. Dass wir trotz der widrigen Bedingungen und aller Hindernisse den Tunnel erfolgreich auffahren konnten, ist das Ergebnis der sehr guten Zusammenarbeit mit Herrenknecht.“
Besondere Auslegung der Multi-Mode-TBM auf hohe Grundwasserdrücke
Die Herrenknecht-TBM kann angepasst an die geologischen Bedingungen in offener und geschlossener Betriebsart arbeiten. Im offenen Modus wird der Abraum zum Bohrkopfzentrum geführt und dort von der zentralen Förderschnecke auf Förderbänder abtransportiert. Bei eventuellem Wassereintritt wird die Hauptkammer durch Schließen des hinteren Abwurfschiebers abgedichtet. Innerhalb von nur 120 Sekunden kann so vom offenen in den geschlossenen Modus gewechselt werden. In letzterem wird die Multi-Mode-Maschine komplett im flüssiggestützten Slurry-Modus mit einem Luftpolster zur Kontrolle des Stützdrucks gefahren.
Drei im Schildbereich installierte Bohrgeräte bieten umfassende Vorausbohrmöglichkeiten für Sondier- und Injektionsarbeiten. Ein viertes Bohrgerät kann bei Bedarf auf dem Erektor angebracht werden. Über sie lässt sich die Ortsbrust sowohl für den Vortrieb als auch für Inspektions- und Wartungsarbeiten stabilisieren. Damit erhöht sich die Möglichkeit von Arbeiten unter atmosphärischen Bedingungen in der Abbaukammer oder sogar an der Ortsbrust. Ist der Wasserdruck zu groß, sind solche Arbeiten unter Druckluft durchzuführen. Für diesen Fall ist die TBM mit einem speziellen, neu entwickelten Schleusensystem ausgestattet, das normale Drucklufteinstiege bis etwa 4,5 Bar ermöglicht. Für den Einsatz bei noch höheren Drücken oder längeren Arbeitsintervallen können Sättigungstaucher per Transfer-Shuttle unter konstantem Druck zur Maschine und wieder zurück gelangen.
„Die Las Vegas Maschine haben wir in enger Abstimmung mit dem Kunden so konfiguriert, dass wir für alle möglichen Situationen gut aufgestellt sind“, sagt Werner Burger, Chef-Ingenieur bei Herrenknecht. „Auch wenn Vegas Tunnel Constructors nicht alle Register ziehen musste, war es gut zu wissen, dass sie es hätten tun können. Bei derart anspruchsvollen Projekten benötigt man zu Plan A auch Plan B oder sogar C.“
Im Sommer 2015 sollen die Arbeiten an Intake No.3 abgeschlossen sein. Der neue Entnahmetunnel führt dann das Seewasser über Intake No.2 einer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage zu, von wo aus es an Haushalte und Gewerbebetriebe geleitet wird.
Weitere Informationen zu dem Projekt
Projektseiten der Vegas Tunnel Constructors