Nach steilem Aufstieg: Durchschlag in Limmern
Limmern, Schweiz / Schwanau, Deutschland, 15. Oktober 2011. Die Wasserkraftwerke Muttsee, Tierfehd und Linthal (Kanton Glarus, Ostschweiz) der Kraftwerke Linth-Limmern AG erzeugen derzeit zusammen insgesamt 480 MW saubere Energie. Im Rahmen des Projektes »Linthal2015« wird die Kapazität durch den Neubau des Pumpspeicherwerkes Limmern um 1.000 MW vergrößert. Der Bau des neuen Kraftwerks wird durch die ARGE Kraftwerk Limmern unter der Federführung der Marti Tunnelbau AG ausgeführt. Infrastrukturkernstück des Großprojektes ist der Vortrieb zweier Druckstollen von je 1.030 m Länge. Am 14. Oktober 2011 schloss die Herrenknecht-Gripper-TBM (Ø 5.200 mm) den maschinelle Vortrieb des ersten Stollens erfolgreich ab.
Die beiden Druckstollen werden von einer mit Pump-Turbinen ausgerüsteten Kaverne bei 1.700 Höhenmetern mit einer Trassensteigung von 40° zur 600 Meter höher gelegenen Schieberkammer am Muttsee gebohrt. Die Tunneltrasse verläuft bei Überdeckungen von bis zu 565 m vorwiegend durch Quintnerkalk. Die Gesteinsfestigkeiten reichen bis 120 MPa. Eine Trassensteigung von 40° (84,7%) ist eine ganz besondere Herausforderung für die Maschinentechnik sowie an das Projektteam.
Im September 2009 orderte Marti Tunnelbau AG für diese Mission bei Herrenknecht eine speziell ausgelegte Tunnelbohrmaschine (Gripper-TBM). Sie misst einen Bohrdurchmesser von 5.200 mm und verfügt über eine Antriebsleistung von 2.205 kW. Eine Gripper-TBM verspannt sich im Vortrieb mit zwei Gripper-Platten seitlich gegen den Fels des bereits gebohrten Tunnels. Hydraulikzylinder pressen den rotierenden Bohrkopf gegen die Ortsbrust, die von den Rollenmeißeln zerkleinert wird. Nach dem Abschluss eines Bohrhubes werden die Gripperplatten nachgezogen und erneut verspannt. Die enorme Steigung im Projekt Limmern verlangt ein sehr zuverlässiges Sicherungskonzept, das auf jeden Fall verhindert, dass die TBM beim Umsetzen der Gripper im Tunnel zurückrutschen kann. Bisher wurden hier spezielle Gripper-TBM mit einfacher Rückfallsicherung eingesetzt.
Das Bauunternehmen Marti Tunnelbau AG und die Herrenknecht AG sind einen Schritt weiter gegangen. Sie haben eine doppelte Rückfallsicherung mit einer vollen Redundanz der verfügbaren Verspann-Ebenen für die 130 Meter lange und 800 Tonnen schwere TBM entwickelt. Das erhöht die Sicherheit für Mensch, Maschine und Bauwerk entscheidend: In jedem Betriebszustand (Vortrieb, Stillstand oder Umsetzen) sind immer mindestens zwei von drei Verspannsysteme unabhängig – und damit absolut sicher – im Berg verspannt . Ein Zurückrutschen der Anlage kann zuverlässig verhindert werden. Die Rückfallsicherungen arbeiten mechanisch nach dem Prinzip eines selbsthemmenden Kniehebels (automatisches mechanisches Verkeilen). Dadurch ist selbst bei einem Ausfall der Energieversorgung und der Hydrauliksysteme die notwendige Verspannung der Maschine im Berg sichergestellt.
Die Tunnelbohrmaschine wurde im Herrenknecht-Werk vollständig montiert und getestet. Am 22. Juni 2010 wurde neun Monate nach Auftragseingang die Werksprüfung der Herrenknecht-Gripper-TBM S-575 mit den Ingenieuren der Marti Tunnelbau AG in Schwanau abgeschlossen. Beim Transport der Maschine auf die Baustelle wartete auf dem letzten Abschnitt eine ganz eigenständige Herausforderung. Die Maschinenkomponenten mussten per Seilbahn von Tierfehd (rund 800 m üNN) bis in eine Höhe von rund 1.800 m üNN transportiert werden. Bereits bei der Erstellung der ersten Konstruktionszeichnungen und bei der Demontage der Maschine im Werk musste entsprechend berücksichtigt werden, dass keine der Komponenten das maximal zulässige Gewicht von 37 Tonnen überschreitet.