Future Perspectives

Überraschende
Einblicke in
subterrane Räume

Die Menschheit hat immer schon nach unterirdischen Räumen gesucht, und unser Verhältnis zur subterranen Welt ist so reichhaltig und vielfältig wie die Kulturen auf diesem Planeten. Unterwegs in eine urbanere Zukunft werden wir der Erde unter unseren Füßen zweifellos noch sehr viel mehr abverlangen.

Lesezeit: 14 Minuten

Stellen Sie sich bitte einmal eine unter­irdische Infrastruktur vor.

Unabhängig von Ihrem Hintergrund und Ihrer Expertise ist es wahrscheinlich, dass Ihnen hierbei spontan ein für uns zentral bedeutsamer Beitrag zu unserem alltäglichen Leben einfällt. Vielleicht ein Eisenbahn- oder Straßentunnel. Vielleicht ein Trink- oder Abwassersystem, oder dichte Bündel von Strom- oder Telekommunikationskabeln. Während dieses Bild vom Untergrund als einer Service-Umgebung für eine darüber liegende urbane Formation vielen vertraut erscheinen mag, so verschleiert es die Bedeutungen dieser Sphäre im Laufe der Geschichte.

Wussten Sie beispielsweise, dass das Halloween-Fest auf eine einzelne, ganz bestimmte Höhle in Irland zurückgeht? Oder dass die Moskauer Metro ein zentrales Propaganda-Instrument der 1930er-Jahre gewesen ist? Oder die von Permafrost bedeckte Anlage mehr als eine Million Arten von Saatgut beherbergt?

Über das Naheliegende hinaus zu den überraschenden und selten erzählten Untergrund-Geschichten vorzudringen, verspricht Inspiration und Ideen für eine stärker unterirdisch orientierte Zukunft.

„Zukünftig werden mehr Einrichtungen
unter die Erde verlegt werden, um oben Räume
für Wohnen und Umweltschutz zu sichern.“

Mythologie und Mysterien

Ebenerdig betrachtet ist Oweynagat unscheinbar. Die archäologische Stätte liegt am Rand eines Feldes in einem ländlichen Gebiet im Nordwesten Irlands. Sie ist Teil einer ehemals großen königlichen Siedlung, dem Zentrum des alten irischen Königreichs Connaught, dessen Anfänge auf 5.500 Jahre datiert werden. Der Legende nach war sie das Zuhause der unsterblichen Königin Morrigan und ihrer drei Wildkatzen, denen die Höhle ihren irischen Namen verdankt: Uaimh na nGat – Höhle der Katzen.

Geburtsort von Halloween

Jedes Jahr zum Samhain-Fest am 31. Oktober entkamen diese und viele andere Wesen, von denen man annahm, sie würden die Unterwelt bewohnen, durch die Höhle in die Welt der Lebenden. Die Menschen versammelten sich in Oweynagat, entzündeten Feuer, um sich vor der Dunkelheit zu schützen, verkleideten sich als böse Geister und schnitzten Gesichter in Steckrüben. Während der Ort mit der Zeit aufgegeben wurde, blieb Samhain ein wichtiges Datum im irischen Kalender. Im 19. Jahrhundert verbreiteten dann Auswanderer die alten Traditionen, die sich mit der Zeit in das heutige Halloween transfomierte.

Die Nutzung unterirdischer Räume erweitern

Oweynagats Geschichte ist nicht ganz und gar höllisch. Magan zufolge war sie zu anderen Jahreszeiten eine Kammer der „Transmutation“ – ein Ort für jene, die „spirituelle und geistige Entdeckungen" suchten. Über die Kulturen hinweg gibt es zahlreiche Beispiele für diese Doppelrolle unterirdischer Räume – Stätten des Lichts und der Dunkelheit, von Geburt und Tod, und Pforte zu anderen Welten.

Mehrere indigene Völker Nordamerikas, einschließlich den Madan und den Hopi, führen ihren Ursprung auf das subterrane Reich zurück. Für Hindus ist die Unterwelt der Lebensraum mächtiger Götter und die Überlieferungen der Māori sehen die unterirdischen Bewegungen des Gottes Rūaumoko als Ursache für die tektonischen Kräfte in Neuseeland. Für Christen und Muslime ist der Abstieg unter die Erde mit Angst und Strafe verbunden. Andere Glaubensrichtungen nutzen unterirdische Kammern seit jeher, um mit ihren Göttern zu kommunizieren.

Heutige Stadtplanung

Diese Vorstellungen vom Untergrund sind für die aktuellen Diskussionen rund um Urban Planning von großer Bedeutung. In einem 2017 veröffentlichten Artikel antizipierte die Psychologin Dr. Eun Hee Lee eine Zukunft, in der wir unterirdische Räume stärker für unsere täglichen Bedürfnisse nutzen, etwa zum Pendeln, Wohnen oder für soziale Unternehmungen. Ihr Augenmerk lag auf den psychosozialen Faktoren, die mit unterirdischen Umgebungen assoziiert werden, weil „die Art und Weise, wie Menschen denken, fühlen und sich verhalten, eng mit ihren Interaktionen mit der physischen Umwelt verbunden ist“. Der erste von vier Schlüsselfaktoren, den sie identifizierte, waren „kulturell negative Assoziationen“. Beispielsweise wenn unterirdische Räume mit Tod, Angst, Aberglaube und Armut assoziiert werden. Sie argumentiert, dass subterrane Räume „re-konzeptualisert“ werden müssen, um das zu überwinden: „Eine Möglichkeit die kulturelle Wahrnehmung zu verbessern, liegt in der erweiterten Nutzung unterirdischer Räume, bei der wir die Privatsphäre und den Schutz betonen, den sie uns bieten können“.

Künstlerische Unternehmungen

Geschützte subterrane Umgebungen sind seit langer Zeit sichere Plätze, an denen die Menschheit ihre Kreativität erkunden kann. Antike Bilder schmücken die Wände zahlreicher Stätten auf der ganzen Welt - von Australien bis Südafrika, von Indonesien bis Südamerika. Sie erinnern daran, dass wir schon immer unsere Spuren in unserer Umgebung hinterlassen haben. Die Cueva de Ardales – eine Höhle in Südspanien – beherbergt das älteste bislang entdeckte Beispiel für Felskunst. Sie enthält über 1.000 prähistorische Malereien und Gravuren. Eine Reihe von Bildern aus Punkten, Fingerabdrücken und Handschablonen, alle mit rotem Ockerpigment hergestellt, ist besonders wichtig. Ihr Alter wird auf mindestens 64.000 Jahre geschätzt, was darauf hindeutet, dass die Bilder von Neandertalern erschaffen wurden. 2022 wiesen Forscher nach, dass die Höhle mehr als 50.000 Jahre lang als Malgrund für Kunstwerke und als Grabstätte genutzt wurde.

Spielplätze für Kunst und Architektur

Unterirdische Räume werden nach wie vor von Künstlern aller Disziplinen genutzt. Unter zeitgenössischen Beispielen finden wir die handgemeißelte Sandsteinhöhle von Ra Pualette, Herbert Bagliones gespenstische „Schattenkunst“ in verlassenen Bunkern, ikonische Graffiti-Tunnel wie die Leake Street in London, der Tunnel des Tuileries in Paris und der Freedom Tunnel in New York City. Auch Museen, Tanzschulen und Tonstudios nutzen zunehmend unterirdische Räume.

U-Bahnhöfe sind zu einem Spielplatz für Design und Architektur geworden. In ihrem Buch „Underground Spaces Unveiled“ erzählen die Autoren Han Admiraal und Antonia Cornaro wie die Moskauer Metro im Jahr 1935 eröffnet wurde. Deren prachtvolle Stationen waren „die sozialistische Antwort auf die langweiligen, eintönigen und uniformen Systeme im Westen“. Mit ihren hohen Hallen, kunstvollen Lampen und spiegelnden Marmor-Böden dienten sie „in ihrer zur Schau gestellten Pracht einem Propagandazweck und schufen zudem eine Atmosphäre, die jedes negative Gefühl, unter der Erde zu sein, abstellen sollte“. Die einzigartige Gestaltung jeder Station diente als Orientierungshilfe, so dass Passagiere, die den Namen einer Station nicht lesen konnten, sie trotzdem aus dem U-Bahn-Waggon heraus wiedererkennen konnten.

Dies inspirierte zwei schwedische Künstler, die sich in den 1950er-Jahren erfolgreich für die Einführung von Kunst in der Stockholmer U-Bahn einsetzten. Heute präsentieren mehr als 90 der 110 Bahnhöfe des Netzes Kunstwerke, wobei jeder Bahnhof sein eigenes Design hat. Die Stockholmer U-Bahn gilt heute als die längste Kunstgalerie der Welt.

„Die einzigartige Gestaltung
jeder Station diente als
Orientierungshilfe.“

Einzigartige Orientierungspunkte schaffen

Im Lichte von Lees psychosozialen Faktoren gewähren die genannten Projekte einige interessante Einblicke. Lee identifizierte Isolation – die eingeschränkte Verbindung zur Außenwelt – als zweiten Schlüsselfaktor dafür, wie wir unterirdische Räume erfahren. Mehr Verbindungen zwischen Untergrund und Oberfläche sowie großzügige Durchgänge, die Straßen nachempfunden sind, „können bei Nutzern ein Gefühl der Vertrautheit hervorrufen“. Darüber hinaus können der Bau von Lichtschächten und der Einsatz intelligenter Beleuchtung dazu beitragen, dass sich unterirdische Umgebungen mehr wie Freiluftbereiche anfühlen.

Der dritte von Lees Faktoren ist die von den Nutzern „empfundene Kontrolle“ in Bezug auf das Fehlen von Fenstern, Orientierungspunkten und Grünanlagen. Neue Forschungsergebnisse der Universität Hongkong zeigen, dass eine verbesserte Luftqualität in unterirdischen Räumen sowie der Einsatz virtueller Fenster einige dieser Bedenken erheblich mindern können. Admiraal and Cornaro schreiben: „Entlang einer Strecke sollten einzigartige Unterscheidungsmerkmale geschaffen werden, sichtbare Anhaltspunkte, die den Aufenthalt angenehmer machen, und uniformes Design vermeiden“.

Wissenschaftliche Forschung

Seit fast 15 Jahren führen internationale Wissenschaftlerteams Experimente mit dem LHC durch, um die Natur unseres Universums zu erforschen, indem sie seine Grundbausteine untersuchen. Auch auf der Suche nach Neutrinos müssen Wissenschaftler tief in den Untergrund gehen, um Antworten zu finden. Diese geisterhaften, subatomaren Teilchen, die von unserer Sonne und anderen Sternen ausgestoßen werden, interagieren kaum mit gewöhnlichen Materialien. Um sie nachzuweisen, müssen unter der Erde riesige Tanks gebaut werden, die mit einer Flüssigkeit, oft verdichtetem Wasser, gefüllt sind. Einige der Tanks fassen so viel Wasser wie zwanzig olympische Schwimmbecken. Mit ihrer Größe erhöht sich auch die winzige Wahrscheinlichkeit, dass eines der schwer fassbaren Neutrinos auftaucht. Die unterirdische Forschung macht sich das darüber liegende Gestein zunutze, um all die anderen Partikel herauszufiltern, die ständig auf unseren Planeten niederregnen.

Die Grenzen des Tunnelbaus erweitern

Ob Sie es glauben oder nicht, auch Botaniker und Agronomen arbeiten in unterirdischen Anlagen. Anstatt nach Partikeln zu jagen, schützen diese Wissenschaftler die genetische Vielfalt der weltweiten Nutzpflanzen vor verschiedenen Bedrohungen. Die auch als "Arche Noah für Saatgut" bekannte Saatgutkammer, die derzeit rund 1,2 Millionen Proben beherbergt, befindet sich 152 Meter tief im Inneren eines Berges auf Svalbard in Norwegen, bekannt als Spitzbergen, am Polarkreis. Der entlegene Standort wurde gewählt, weil er fast perfekte Bedingungen für die langfristige und sichere Lagerung von Saatgut bietet. Der Permafrostboden sorgt für Temperaturen von –5 Grad Celsius. Dadurch bleibt das Saatgut, das aus Genbanken in der ganzen Welt stammt, selbst bei einem Stromausfall gefroren. Und Städte wie Taiwan, Seoul und London verwandeln leerstehende U-Bahn-Tunnel in vertikale Farmen, in denen sie Salatblätter und Mikrogemüse für den lokalen Verkauf anbauen.

Vertikale Landwirtschaft

Vorteilhaft an vertikaler Landwirtschaft ist auch, dass sie Grünflächen in unterirdische Räume bringt. Aus Lee‘s Sicht ideal „um das physische und psychische Wohlbefinden der Untergrund Community zu befördern.“

Solche Projekte erweitern die Grenzen des Tunnelbaus gleich in mehrfacher Hinsicht. Zunächst einmal gibt es keine standardisierten Regeln oder Leitlinien für die Gestaltung unterirdischer Forschungseinrichtungen. Jedes dieser Projekte ist maßgeschneidert und folgt seinen eigenen einzigartigen Anforderungen. Das Gleiche gilt für Monitoring und Instandhaltung der Einrichtungen, wenn sie betrieben werden. Das CERN hat eigens Roboter entwickelt, die Daten und Fotos aus den Tunneln sammeln, sowie einen Algorithmus, der Risse und Auffälligkeiten in Echtzeit identifiziert. Hinzu kommen Experimente mit Glasfaserkabeln, die Bewegungen im Untergrund ferngesteuert messen. Auf diese Weise können die Tunnel auch während laufender Experimente kontinuierlich überwacht werden. Technologien, die für weitere Tunnelprojekte geeignet sein dürften.

Wissenschaftler am CERN planen, in den kommenden Jahrzehnten eine weitere unterirdische Anlage auf dem Gelände zu errichten, in der die nächste Generation des Teilchenbeschleunigers untergebracht werden soll. Ein Projekt an den Grenzen der Wissenschaft, das den Bau eines 100 Kilometer langen Tunnels erfordern würde. Fast doppelt so lang wie der Gotthard-Basistunnel, der derzeit den Titel „längster Tunnel der Welt“ hält.

„Grünflächen in unter-
irdischen Räumen befördern
das physische und psychische
Wohlbefinden der
Untergrund-Community.“

Zufluchtsorte

Die Geologie der Region erklärt, warum es hier zahlreiche „unterirdische Städte“ gibt, darunter auch die raffinierteste namens Derinkuyu. Die in den weichen Fels gehauenen Tunnel und Höhlen der Stadt dienten als Festungsanlagen in Kriegs- und Krisenzeiten, aber auch als alltägliche Lagerräume und Transportverbindungen. Jeder Ausgang verfügte über eine massive Steintür, die bei Bedarf vom Inneren des Tunnels aus geschlossen werden konnte. Umfangreiche Belüftungsschächte, Brunnen und Regenwassertanks deuten darauf hin, dass die Stadt auf Selbstversorgung ausgelegt war. Eine Eigenschaft, die sich während der arabisch-byzantinischen Kriege bewährte. Derinkuyu wurde mittlerweile bis zu einer Tiefe von 85 Metern ausgegraben und ist auf acht Ebenen verteilt. Die Anlage war groß genug, um zeitweise 20.000 Menschen zusammen mit ihrem Vieh zu beherbergen.

„In unterirdischen Räumen sollten
sichtbare Anhaltspunkte geschaffen werden,
die den Aufenthalt angenehmer machen
und uniformes Design vermeiden.“

Unterirdische Städte

Möglicherweise war Derinkuyu die Inspiration für eine andere unterirdische Metropole, die in Erwartung eines Atomkriegs gebaut wurde, der glücklicherweise nie stattfand. Zwischen 1969 und 1979 entstand unter dem Zentrum von Peking ein riesiges Netzwerk von Tunneln und Bunkern auf einer Fläche über 85 Quadratkilometern. Ausgestattet mit einer Vielzahl von Einrichtungen, darunter Restaurants und Fabriken, wurde die Anlage einfach als Dìxià Chéng – „unterirdische Stadt“ – bezeichnet. Sie verfügte ebenfalls über ein ausgeklügeltes Belüftungssystem sowie über gas- und wasserdichte Luken. Berichten zufolge war die Stadt darauf ausgelegt, die Hälfte der Bevölkerung Pekings vier Monate lang sicher unterzubringen. Während Dìxià Chéng ihren ursprünglichen Zweck nie erfüllte, wird sie heute teilweise für günstige Wohn- und Büroräume genutzt. 2017 berichtete National Geographic, dass mehr als eine Million Menschen in diesen ehemaligen Bunkern leben.

Über menschenzentrierte Ansätze nachdenken

Während einige unterirdische Städte speziell zu diesem Zweck gebaut wurden, gibt es auch unzählige Beispiele auf der ganzen Welt für bestehende unterirdische Strukturen, die zu Zufluchtsorten umfunktioniert wurden. Dazu gehört etwa Naours, ein Kreidebergwerk in Nordfrankreich, das vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert Konfliktflüchtlinge beherbergte. Die Londoner U-Bahn-Tunnel boten Stadtbewohnern während des Ersten und Zweiten Weltkriegs lebenswichtigen Schutz. Und sogar heute noch leben die Einwohner von Coober Pedy – einer Bergbaustadt inmitten der südaustralischen Wüste – in unterirdischen Häusern in stillgelegten Minenbereichen.

Wenn wir unterirdische Räume als sichere Zufluchtsorte verstehen, scheint das zunächst im Widerspruch zu Lees viertem und letztem psychosozialen Faktor zu stehen, der „empfundenen Sicherheit“. Doch Lee zufolge hat Sicherheit in diesem Zusammenhang eine spezielle Bedeutung: „Sie bezieht sich auf Risiken oder Gefahren, die auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind, zum Beispiel wie Terroranschläge oder Verbrechen." Sie ergänzt, dass das Fehlen von Orientierungspunkten „eine Gelegenheit für diejenigen mit kriminellen Absichten sein kann“. Lee fordert darum die Designer dazu auf, sehr sorgfältig über die Sichtbarkeit, Beleuchtung, Wegführung und Überwachung in unterirdischen Umgebungen nachzudenken.

Warum brauchen wir eine stärker subterrane Zukunft?

Also, was bedeutet all das für die Zukunft unserer Städte? Die möglichen Antworten auf diese Frage lassen sich fein abstufen. An dem einen Ende der Skala gibt es einen Hype und die gelegentlich irreführenden Schlagzeilen, die suggerieren, dass wir bald alle die ganze Zeit in umgedrehten Pyramiden unter der Erde leben und nur noch für die üblichen Outdoor-Aktivitäten oben auftauchen werden. Am anderen Ende der Skala liegen jene, die unterirdische Räume lediglich als Service-Umgebung betrachten. Als einen Ort, an dem man die Innereien urbaner Zentren versteckt, keinesfalls ein Ort, wo Menschen ihre Freizeit verbringen sollten.

Die Realität liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen beiden Extremen. Mehr Einrichtungen werden unter die Erde verlegt, um oben Räume für Wohnen und Umweltschutz zu sichern. Dies ist offensichtlich die Vision, die Singapur verfolgt. Ihr 2019 erstmals veröffentlichter Untergrund-Masterplan sieht vor, alle Versorgungseinrichtungen und viele Verkehrsnetze sowie Industrielagerhäuser, Rechenzentren und Treibstofflager unter die Erde zu verlegen. Im Gespräch mit Reuters sagt Ler Seng Ann von der Urban Redevelopment Authority (URA), dass dadurch „oberirdische Flächen für Wohnungen, Büros, Communities sowie Grünflächen frei werden, um die Lebensqualität zu verbessern“.

Subterranes Design

Unterirdische Architektur zu adaptieren bietet offensichtliche Vorteile, darunter die thermalen Bedingungen. Städte mit kalten Wintern, wie Helsinki und Montreal, verfügen bereits über viele subterrane Freizeiteinrichtungen, verbunden durch Gehwege. Schwimmbäder, Laufbahnen, Einzelhandelsgeschäfte, Eishockeystadien, Theater, Museen, Kartbahnen und Kirchen können auch bei Außentemperaturen von -15 Grad Celsius und weniger unter Null bequem erreicht und genutzt werden. Angesichts des Klimawandels, der das Wetter immer unvorhersehbarer und extremer macht, könnten solche wetterfesten Zufluchtsorte für Stadtbewohner immer wichtiger werden. Die unterirdische Abwanderung bringt aber auch Herausforderungen mit sich, wie die Grundversorgung mit Wasser, sauberer Luft und Müllbeseitigung. Und wie Dr. Eun Hee Lee und andere betont haben, gibt es eine Reihe psychosozialer Gesichtspunkte – einige positiv, andere negativ – die berücksichtigt werden müssen.

Der Wandel hin zu einer stärker unterirdisch geprägten Zukunft erfordert sorgfältige Planung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und einen konsequenten menschenzentrierten Ansatz. Und was könnte menschlicher sein als von unserer eigenen Vergangenheit zu lernen?

Autorin

Laurie Winkless

ist eine Physikerin und Wissenschaftsautorin. Winkless vermittelt komplexe wissenschaftliche Themen verständlich und unterhaltsam einem breiten Publikum. Sie bezeichnet sich selbst als „Tunnelnerd“ und schreibt regelmäßig für internationale Fachzeitschriften. Zuletzt publizierte sie die Bücher "Science and the City" und "Sticky".

Bildquelle Bühne: © Arild Vågen / Wikipedia

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Steffen Dubé President and General Manager Herrenknecht Tunnelling Systems USA Inc.
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